Last updated on 21. Januar 2021
Manchmal geht es ganz schnell. Manchmal kommt es ganz plötzlich, dass ein Mensch nicht mehr da ist. Es gibt Situationen, da hätte wirklich keiner damit gerechnet.
Und es gibt Situationen, da wollte man irgendwie nicht so wirklich damit rechnen. Aber es war nicht so, dass alle Zeichen dagegen sprachen, dass der Mensch bald stirbt. Wer aufmerksam war, konnte kleine leise Abschiede bemerken. Konnte sehen, dass das Sterben nicht erst mit dem letzten Atemzug kam.
Dann gibt es Situationen, da ist jedem bewusst, dass man jederzeit damit rechnen muss. Ganz deutlich ist zu sehen, wie ein Mensch sich immer weiter entfernt vom Leben hier, wie er stirbt – ein bisschen mehr mit jedem Atemzug, den er nimmt. Man weiß, es können Stunden sein, Tage, Wochen… Und doch weiß man nicht wirklich, wann genau.
Der Arzt, der zuletzt bei Jona war, meinte damals „Heute Nacht – oder spätestens morgen…“ Die medizinischen Fakten sprachen eine klare Sprache. Doch den exakten Zeitpunkt, den wusste keiner. Aber wer nah an Jona dran gewesen war in den Wochen zuvor, der konnte spüren – er geht, er stirbt.
Später dann erzählt der Arzt mir von Kopfschmerzen, die ihn bis in die Nacht hinein geplagt hatten und ihn nicht schlafen ließen, und die irgendwann gegen 4 Uhr morgens weg waren – er wusste, etwas ist passiert. Das war ungefähr der Zeitpunkt zu dem ich aus meinem Schlaf neben Jona aufgeschreckt bin und einfach nur noch dasaß und zusah – zusah, wie der Atem immer flacher wurde, bis er ganz verschwunden war.
Die Grenzen „zwischen den Welten“ sind verschwommen und diese Wand dünner, als wir es vermuten – davon bin ich überzeugt. Wir können unseren Teil beitragen für ein längeres Leben. Aber letzten Endes steht es nicht in unserer Macht.
Wer das Sterben nicht annehmen kann und den Tod, der beraubt sich kostbarer Momente und der Kraft, die man braucht um als „Zurückgebliebener“ weiterzuleben.
Dass man hadert und Eventualitäten im Kopf durchspielt, ist ein völlig normaler Prozess. Sich aber dauerhaft verbeißen in verpassten Möglichkeiten oder Vorwürfen – das macht krank und raubt unheimlich viel Kraft.
Könnte man nicht doch noch vielleicht… ? / Hätte man doch nur noch versucht zu…! / Vielleicht haben sie sich auch nur geirrt… / Ich hab mal gehört, dass… / Aber eventuell könnte es ja doch sein, dass… / Wollt ihr nicht vielleicht doch noch… ? / Ihr könnt doch nicht einfach so…!
Es gibt Menschen, die konnten es nicht fassen, dass wir Jona jetzt „einfach so“ sterben lassen; dass es tatsächlich Dinge gibt, die wir unversucht lassen wollen.
Es gibt Menschen, die mir immer wieder von „Wundern“ erzählt haben und versucht haben mich davon zu überzeugen, dass auch Jona das erleben kann – und für die es unbegreiflich war, dass wir nicht mehr greifen wollten nach diesem Strohhalm.
Es gibt Menschen, die haben mir versucht einzureden, dass „alles wieder gut“ werden kann. Das haben sie natürlich selbst nicht geglaubt. Aber die Wahrheit konnten sie nicht ertragen und haben sich lieber in eine Lügenblase geflüchtet – die solange hielt, bis sie dann doch geplatzt ist.
Es gibt Menschen, die wollen nicht wahrhaben, dass bei einem alten Menschen, die Zeit irgendwann abgelaufen ist. Sie denken, ein Arztbesuch hier und eine Tablette dort hätten doch vielleicht noch geholfen. Hätte vielleicht schon – aber bis wann und für was?
Es gibt Menschen, die möchten nicht hören, wenn ein Mensch, der spürt wie seine Kraft schwindet, sagt, dass er genug hat vom Kampf. Sie erkennen nicht, dass es da diesen Punkt gibt (und der ist manchmal auch nicht so leicht zu erkennen), an dem man einfach nur noch sagen muss „Es ist okay.“ – als dass man zum Weiterkämpfen animiert.
So dankbar ich bin für alle Chancen in der und durch die Medizin (und ich bin der vollen Überzeugung, dass getan werden soll, was auch nur ansatzweise versprechend ist), so sehr wünsche ich mir, dass wir sehen – anerkennen, dass das Sterben genauso zum Leben gehört, wie das Gesundwerden.
Wie du mir wieder so sehr aus dem Herzen sprichst.
<3 Ich glaube, viele meiner Gedanken kommen auch nur deshalb "auf Papier", weil ich mit Menschen wie dir rede. schreibe, über Menschen wie dich nachdenke...
Ich danke dir, dass du diese Worte geteilt hast. Du hast mir geholfen mich zu erinnern.
Das bedeutet mir sehr viel, dass du mir das sagst… Ich war sehr am Hadern, ob die Gedanken zu direkt, zu anmaßend und zu persönlich sind. Jetzt denke ich, es war gut – wenn auch nur für dich (und mich :)). <3