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Fakten – schwarz auf weiß

Last updated on 21. Januar 2021

Privat krankenversichert zu sein, hat Vor- und Nachteile. Jonas Krankenhausrechnungen schwarz auf weiß vor uns liegen zu haben, hat uns einiges gelehrt.

Zum einen hat es uns unglaublich dankbar werden lassen, dass wir diese Summen in schwindelerregender Höhe nicht selbst bezahlen mussten. – Eine Sache, die für viele Menschen auf dieser Welt keine Selbstverständlichkeit ist. Zum anderen haben wir aufgrund der Rechnungen erst so richtig realisiert, wie viel Zeit Jona in einem einzigen Jahr stationär behandelt worden war. – Das waren über 200 Tage! Und da waren tagesklinische Behandlungen und seine 6-wöchige Bestrahlung nicht mit eingerechnet. – 2016 war ein hartes Jahr!

Und genau in dieser Zeit hatten mich immer mal wieder Leute gefragt, ob Jona in der Klinik Gelegenheit hat, mit anderen Kindern zusammen zu kommen. Ob sie zusammen spielen, Zeit verbringen.

Jona war damals sehr zurückgezogen, hatte meistens auf garnix Bock. Irgendwann bald hatte er dann einen Darmkeim, den Patienten in seinem Zustand in der Regel nur schwer loswerden. Und so war er die meiste Zeit ein „Iso-Patient“. Das heißt so viel wie „Du darfst kein Zimmer mehr mit anderen teilen. Küche, Spielzimmer usw. sind tabu. Wenn du irgendwo wartest, musst du einen Schutzkittel tragen und abseits bleiben.“

Ich konnte mir diese Fragen, die mir damals gestellt wurden, nicht anders erklären, als dass sie den Darstellungen in Kinder-Bilderbüchern übers Krankenhaus entstammen. Den Bildern, auf denen Kinder in Dreierzimmern Kissenschlacht machen und den bombardieren, der mit hochgelegtem Gipsbein ans Bett gefesselt ist. Oder wo die fröhliche Runde jetzt die Geburtstagsfeier der Oma kurzerhand ins Krankenhaus verlegt hat, weil die Enkelin eine kleine Gehirnerschütterung hat und leider erst am nächsten Tag wieder nach Hause darf.

Natürlich – oder besser gesagt, Gott sei Dank, sind solche Szenen ja auch Realität. Aber hattet ihr schon mal richtig doll die Grippe? War euch dann nach Kissenschlacht und leckerem Essen?

Eine Krebserkrankung und die zur Behandlung entwickelten Therapien, welche oft für eine Weile den Körper noch kränker machen, als er vorher schon war, nur damit er wieder gesund werden kann – all das ist alles andere als eine Grippe!

Und doch gibt es eine beachtliche Menge an Leuten auf den Krebsstationen (hingegebenes Pflegepersonal, Lehrer, Erzieher, alle möglichen Therapeuten etc.), die sich ein Bein ausreißen, um den Kindern das Gefühl zu erhalten, was es heißt am Leben zu sein. Und natürlich lernt man sich kennen, wenn man sich (wie es Jona noch am Anfang der Therapie möglich war) wochenlang das gleiche Zimmer teilt.

Doch die Wahrheit über die meisten „Bewohner“ von Kinder-Krebsstationen ist, dass sie – insofern sie nicht sowieso schon im Isolierzimmer „eingeschlossen“ sind, trotzdem eingeschlossen sind – eingeschlossen in ihren kranken Körpern. Körper, die nicht das sind, was sie normalerweise sind oder waren. Manche schließen vielleicht Freundschaften. Doch die meisten sind zu „beschäftigt“ damit, gesund zu werden, oder einfach nur am Leben zu bleiben. Sie schlafen. Sie erbrechen sich. Sie haben Schmerzen, fühlen sich einfach nur unwohl. Sie schwanken zwischen Leben und Tod… Für gewöhnlich sind sie nicht dran interessiert, eine gute Zeit zu haben.

Auch wenn es ein paar gibt, die das Beste draus machen wollen – alle haben einen gemeinsamen Wunsch: Sie wollen einfach nur, dass es vorbei ist. Sie wollen heim. Sie wollen frei sein, normal sein – einfach nur wieder sie selbst sein!

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Julia ist Jahrgang 1981. Vor Jahren hat sie mal das Übersetzerhandwerk gelernt, heute schreibt sie Lieder und arbeitet als Sängerin und Stimmtrainerin. 2011 wurde bei ihrem ältesten Sohn Jona ein Hirntumor, genauer bezeichnet als Medulloblastom, festgestellt. Seit seinem ersten Rückfall schreibt sie ihre Gedanken in Form eines Blogs nieder. Zimmerpflanzen mag sie eigentlich gern, hat ihren Kopf aber lieber in Liedern und ihre Finger am Klavier, sodass diese in ihrem Haus meistens kein allzu langes Leben haben. Kuchen bäckt sie so ungern, dass, wenn sie’s doch mal tut, der Rest der Familie fragt, wer denn Geburtstag hat. Sie wünscht sich, sie könnte besser schwimmen, ist aber doch nicht ehrgeizig genug, weil sie sich eigentlich mit Boden unter den Füßen am wohlsten fühlt. Und es geht ihr wie so vielen Müttern auf dieser Welt: Sie ist einfach gern allein – und ist sie’s dann tatsächlich, fühlt sie sich doch, als würde ihr ein Bein fehlen. Mit ihrem Mann, Jonas drei Brüdern und dessen Hund Mia lebt sie in Ravensburg.