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Ist das Kunst oder kann das weg?

Last updated on 21. Januar 2021

„Ist das Kunst oder kann das weg?“ – Eine Frage, die momentan aktueller ist denn je. Ich bin der Meinung, Kunst ist essentiell – auch wenn ich so oft das Radio einschalte und mir denke „Das kann weg! Definitiv!“

Aber so ist das mit der Kunst. Bestenfalls zeigt sie uns, wo wir hinwollen, wer wir sein sollen. Beschreibt uns ein Ideal – etwas, nach dem wir streben sollen. Normalerweise aber (ich sage „normalerweise“, nicht „schlimmstenfalls“) ist sie ein Spiegel und beschreibt, was wir gerade sind, wo wir uns befinden. Und wer der Kunst nicht einräumt, auch genau das zu sein – ein Index für unseren Zustand, dafür, wie es in uns aussieht und um uns steht – der hat Kunst nicht verstanden.

Im Rahmen des Podcasts mit Anna Lammer ein Interview zu führen über die Kunsttherapie in der Trauerbegleitung, hat mich auch im Nachhinein nochmal zum Nachdenken gebracht. Ich erinnere mich noch genau an ihre Frage, ob es ein Bild gibt, an das ich mich besonders erinnere. Spontan kamen mir sofort zwei in den Sinn. Ich hab ihr von einem erzählt. Von einem, an das ich immer wieder denke und aus dem ich unglaublich viel Kraft schöpfe; weil mir durch dieses Bild klar wurde, dass irgendwie in mir doch noch Kraft und Mut sind – für ein „Leben ohne Jona“.

Das andere Bild war ein dunkles Bild. Ich erinnere mich an das Thema der Stunde – „Meine Trauer“. Eigentlich setze ich mich ja offen mit Trauer auseinander – aber meistens mit einem „positiven Touch“. Mag sein, das hat etwas damit zu tun, dass ich persönlich versuche jeder Situation etwas Gutes abzugewinnen – und sei sie auch noch so widrig. Mag sein, das hat etwas damit zu tun, dass ich einfach ausreichend Ressourcen habe, von denen ich in schweren Zeiten zehren kann. Mag sein, dass…

Aber das Bild an sich – das Malen des Bildes, und jetzt das Betrachten – fühlt sich befreit an. Auch wenn das Bild nicht gerade eine Wohltat fürs Auge ist, und man meinen könnte, ich brauche jemanden, der mich rausholt aus einem tiefen dunklen Loch. Doch ich erinnere mich noch daran, wie das so guttat, einfach meine traurigen Gefühle zu Papier zu bringen, sichtbar vor mir zu haben. „Da! Ich bin traurig. Punkt! Da gibt es nichts aufzuhellen, schönzureden… Es ist wie es ist, und so darf es auch sein!“

Für mich war das heilsam. Und das ist es auch immer noch. Immer wieder mal denke ich an dieses Bild. Die Traurigkeit hat ihren Platz in meinem Leben sowieso schon eingenommen. – Warum sollte ich das nicht auch zugeben?

Und doch ist es gut – gut, dass dieses Kunstwerk nur eines von vielen war, die im Laufe der Stunden der Kunsttherapie entstehen durften. Eins von vielen Kunstwerken, die mir allesamt gezeigt haben „Die Traurigkeit hat ihren Platz… genauso wie die Freude und das Schöne.“

Kunstwerke – nicht gemacht für Ausstellungen. Kunstwerke – gemacht, damit die Seele wieder hoffen kann.

Hier geht’s zum Podcast:

Wegbegleiter – der Podcast für Familien mit einem schwer kranken Kind I Wenn Jona dann tot ist…
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Julia ist Jahrgang 1981. Vor Jahren hat sie mal das Übersetzerhandwerk gelernt, heute schreibt sie Lieder und arbeitet als Sängerin und Stimmtrainerin. 2011 wurde bei ihrem ältesten Sohn Jona ein Hirntumor, genauer bezeichnet als Medulloblastom, festgestellt. Seit seinem ersten Rückfall schreibt sie ihre Gedanken in Form eines Blogs nieder. Zimmerpflanzen mag sie eigentlich gern, hat ihren Kopf aber lieber in Liedern und ihre Finger am Klavier, sodass diese in ihrem Haus meistens kein allzu langes Leben haben. Kuchen bäckt sie so ungern, dass, wenn sie’s doch mal tut, der Rest der Familie fragt, wer denn Geburtstag hat. Sie wünscht sich, sie könnte besser schwimmen, ist aber doch nicht ehrgeizig genug, weil sie sich eigentlich mit Boden unter den Füßen am wohlsten fühlt. Und es geht ihr wie so vielen Müttern auf dieser Welt: Sie ist einfach gern allein – und ist sie’s dann tatsächlich, fühlt sie sich doch, als würde ihr ein Bein fehlen. Mit ihrem Mann, Jonas drei Brüdern und dessen Hund Mia lebt sie in Ravensburg.